Langstreckentest mit dem Hyundai Ioniq Electric

Die Motivation

Der Plan ist das planlose, das Ziel soll Norwegen sein und das Ergebnis werden Erkenntnisse sein, ob Elektromobilität auch auf weiten Strecken ohne Vorplanung funktionieren kann. Ich will damit Niemandem etwas beweisen, außer mir selbst. Deswegen habe ich auf eine wissenschaftlich belastbare Dokumentation der Ladezeiten und Ladevolumen verzichtet. Alle Werte sind gerundet und abgelesen von Ladesäulen, Bordcomputer u.Ä.

Die Vorbereitung

So ganz ohne Plan geht es dann doch nicht. Die erste Etappe soll nach Kristiansand (Norwegen) gehen. Die Route führt von Laatzen (bei Hannover) also nach Hirtshals (Dänemark) , von dort aus dann mit der Fähre nach Kristiansand. Die Fähre hierfür habe ich einen Tag vorher im Internet gebucht.

Für das Stromzapfen in Dänemark und Norwegen werden Zugänge für die jeweiligen Ladesäulen benötigt. Ein Besuch beim ADAC brachte mir hier (erwartungsgemäß) keine Erkenntnisse, welche Ladekarten notwendig sind und wo Ladesäulen verfügbar sind. „Keine Erkenntnisse“ ist hier durchaus wörtlich zu nehmen. Beim ADAC herrscht diesbezüglich absolute Ahnungslosigkeit. Die einzige Information die man mir für meine geplante Reise mitgeben kann, ist eine DIN-A5 Broschüre mit dem Titel „Elektromobilität“.

Die Informationen, die ich benötige, gibt es in der Community goingelectric.

Eine weitere Vorplanung ist für die Fahrt von Laatzen zur dänischen Grenze notwendig, da zum einen die noch vorhandenen Gratissäulen an der Autobahn genutzt werden sollen und zum anderen Standorte mit defekten Säulen ermittelt werden können, was in Deutschland erfahrungsgemäß häufiger vorkommen kann.

Ladestrategie & Ladekarten

Die nächste Ladesäule wurde meistens bei einer Restkapazität von 30-40% angefahren. Minimum war hier 17% Restkapazität, die früheste Ladung erfolge schon bei 55% Restkapazität. Geladen wurde in den meisten Fällen bis 94%, nur in zwei Fällen bis 100%.

Mit Hilfe der App „Fortum Charge&Drive“ bekomme ich Zugang zu den Ladesäulen des Stromanbieters „Fortum„. Die App benötigt meine Kreditkartendaten, mehr nicht. Es gibt sie in Versionen für Norwegen, Schweden und Finnland – ich bin allerdings in ganz Skandinavien mit der Norwegenversion zurecht gekommen. Mobiles Internet ist natürlich Grundvoraussetzung für diese Art der Nutzung. Alternativ hätte ich mir auch einen RFID-Key von Fortum zusenden lassen können. Man könnte die Ladesäulendichte in Norwegen noch weiter erhöhen, wenn man auch andere Anbieter als Fortum berücksichtigt. Mit Fortum allein bin ich aber prima klar gekommen.

Für die Fahrt durch Dänemark reicht ein Zugang zu den „Clever“ Säulen – dieser wird u.a. ermöglicht durch die Maingau-Ladekarte die sich bereits in meinem Portmonee befindet und die Benutzung sehr bequem und günstig macht. Diese wertvolle Information erhielt ich in letzter Minute in der einschlägigen Facebook Gruppe.

Reiseroute

Das Ziel der Reise ist nicht primär die Erkundung des Landes, sondern die Erfahrung zu gewinnen, wie Elektromobilität funktioniert, wenn die infrastrukturellen Gegebenheiten optimal sind. Norwegen ist hier in Europa wohl mit am nächsten am Optimalzustand. Deswegen gehe ich im Folgenden weniger auf die Naturschönheiten und mehr auf die Ladeinfrastruktur ein.

Erster Tag: Laatzen – Kristiansand (880km)

Die Fahrt gestaltet sich problemlos, trotz langer und zahlreicher Baustellen auf der A7. Die avisierte Gratissäule in Deutschland funktioniert, die Clever-Säulen in Dänemark ebenfalls. Was auf dänischen Autobahnen gleich positiv auffällt ist die Beschilderung bezüglich e-Mobilität. Auf den Hinweisschildern zu den Rasthöfen fehlt das obligatorische Zapfsäulenpiktogramm für Benzin/Diesel. Stattdessen das Piktogramm für eine Ladesäule. Einige Kilometer vor einem Rasthof gibt es zusätzlich noch Schilder, die die Entfernung zur nächsten Ladestation ankündigen. Diese Hinweise fehlen in Deutschland komplett – ob sich an einer Raststätte oder einem Autohof eine Ladesäule befindet, muss man wissen.

Die Fähre von Hirtshals nach Kristiansand ist spektakulär schnell (40kn, etwa 76 km/h) und benötigt etwa 2,5 Stunden für die etwa 200km weite Überfahrt. Das nützt allerdings wenig, wenn sich die Abfahrt um 30min verzögert und die Ankunft nachts um 3:00 Uhr ist. Die restliche Nacht verbringe ich also, wie einige andere Mitreisende auch, im Auto auf einer Tankstelle Nahe des Fährhafens.

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Ladestopps: 5

 

Zweiter Tag: Kristiansand – Stavanger (308 km)

Morgens bis zum frühen Vormittag Regen, danach eine tolle Strecke nach Stavanger und erste Eindrücke von Norwegen. Die Fortumsäulen funktionieren mit Freischaltung über die App zuverlässig. Einfach an die Säule fahren, Kabel anstecken und in der App die Säulennummer anklicken (da an einem Standort oft mehrere Säulen stehen).  Die Ladung startet meist in weniger als 1-2 Sekunden. Der Preis und die bisherige Ladedauer sind ablesbar auf dem Smartphone Display.

Nach einem kurzem Sightseeing in Stavanger (ein wirklich schönes kleines Städtchen), geht es weiter nach Jørpeland. Dort suche ich mir ein schönes Plätzchen mit Infrastruktur, um dort im Auto zu übernachten. Es ist ein wenig frequentierter Supermarktparkplatz mit Ladesäule und Blick auf den Fjord. Die Klimatisierungsautomatik läuft die ganze Nacht hindurch auf 20°C (bei Außentemperaturen um 25°C), somit ist der Innenraum perfekt temperiert. Dies kostet am nächsten morgen ca. 11 Kilometer Reichweite. Auch hier bin ich wieder nicht der Einzige, der im Auto übernachtet. Scheint in Norwegen relativ üblich zu sein.

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Ladestopps: 3

Dritter Tag: Stavanger – Oslo (460 km)

Die schönste Etappe der Tour führt überwiegend über kurvenreiche Landstraßen durch Fjorde und Hochebenen. Das letzte Viertel vor Oslo besteht dann eher aus kurvenbereinigten Landstraßen und Stadtverkehr. Zwischendurch einige kleine Fährverbindungen von max. je 15min Dauer. Außentemperaturen von 20-33 Grad und kein Regen.

Dank des immer vorhandenen maximalen Drehmoments eines eAutos macht die serpentinenartige Fahrt richtig viel Freude. Die Ladestopps müssen nicht großartig geplant werden. Trotz der Fahrt durch das Hinterland und der Beschränkung auf einen Anbieter (Fortum) gab es keine Lücken im Ladenetz. In den Hochebenen hatte ich außerdem den Eindruck, daß es dort mehr Ladesäulen als Tankstellen gab.

Oslo selbst ist ein sehr lohnenswertes Ziel. Mein Hotel liegt allerdings mitten im autofreien Zentrum, sodaß ich etwas entfernt in einem Parkhaus parken muß. Das Parkhaus ist dann beinahe so teuer wie das Hotel.

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Ladestopps: 3

Vierter Tag: Oslo – Laatzen (1040 km)

Nach einem ausgiebigen Frühstück geht es wieder heimwärts. Ausschließlich Autobahn, über die E20 durch Schweden nach Helsingborg zur Fähre nach Helsingør (DK). Dann weiter durch Dänemark und mit der Fähre Rødby-Puttgarden dann nach Deutschland auf die BAB7.

Die 750 km von Oslo nach Rødby gestalten sich als äußerst angenehm fahrbar. Hier machen sich die Assistenten zum teilautonomen Fahren und das Tempolimit von 110-130 km/h bezahlt. Und nicht eine Baustelle auf der gesamten Strecke. Einfach nur super-entspannt zu fahren.

Die Strecke auf der deutschen Autobahn ist dann erwartungsgemäß nicht mehr so entspannt. Baustellen, Staus, viel Verkehr etc. Zwischendurch auf dem Rastplatz noch ein paar Stunden geschlafen im Auto.

Eine nette Anekdote ergibt sich mitten in der Nacht an einer Ladesäule auf einem Tankstellengelände auf Fehmarn. Die Tankstelle ist komplett dunkel, ist schon längst geschlossen. Nur mein Ladesäulenplatz ist erleuchtet. Währenddem ich an der Säule stehe, fahren zwei PKW´s und ein LKW auf die Tankstelle. Alle steigen aus, wollen tanken. Natürlich erfolglos. Unverrichteter Dinge fahren sie weiter. Nur ein PKW Fahrer will sich mit der Situation nicht abfinden und sucht die ganze Umgebung nach einer funktionierenden Zapfsäule ab. Dass die Suche aussichtslos ist, merkt er nach einiger Zeit auch und schimpft in die Nacht hinein, wie mies seine Situation gerade ist und das er noch 0 km Restreichweite hat. Und was er jetzt tun solle. Gerne hätte ich ihm gesagt „Kauf dir ein eAuto“, da ist er aber auch schon wieder davon.

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Elektroautos in Norwegen

Gleich an den ersten Ladesäulen muß ich feststellen, das Elektroautos in Norwegen bereits ein fester Bestandteil des automobilen Alltags sind. Bin ich es aus Deutschland noch gewohnt, dass man sich untereinander grüßt, wenn man gemeinsam an einer Ladestation steht, so ist dieses Verhalten in Norwegen komplett unbekannt. Im Gegenteil: man wird doch sehr befremdlich beäugt, wenn man einen an der Nachbarsäule ladenden Autofahrer grüßt. Ist wahrscheinlich so, als würde man hierzulande einen unbekannten, Diesel-tankenden Autofahrer an der gegenüberliegenden Zapfsäule begrüßen.

Elektroautos sind allgegenwärtig. Alle paar Minuten trifft man auf einen Tesla. Häufig sind auch BMW i3´s, e-Golfs, und Nissan Leaf´s anzutreffen. Gefühlt nicht ganz so oft Renault Zoe oder Hyundai Ioniq.

Also: Wer sich nicht zum Honk machen will in Norwegen – niemals andere eAutofahrer grüßen.

Kosten

Das Norwegen nicht das günstigste Land ist, ist hinlänglich bekannt. Dies trifft in moderatem Maße auch auf Stromtankstellen zu. Die von mir angefahrenen Fortum Säulen rechnen stets im Minutentarif ab. Die Kosten hierfür liegen bei 2,50 NOK (ca. 0,25€) pro Minute. Die Ladegeschwindigkeit pendelt sich hier meist so um 30-50 kW/h ein. Leider habe ich versäumt, die genauen Ladegeschwindigkeiten zu protokollieren. Schnelllader mit mehr als 100 kW habe ich nicht entdeckt. Ein Ladevorgang kostet mich also ganz grob gerechnet 5€.

Fazit

Die Langstrecke funktioniert mit dem eAuto. Die oft zitierte Reichweitenproblematik der eAutos ist in Wirklichkeit eher eine Ladesäulenproblematik. Wenn Schnellladesäulen intelligent und zahlreich platziert sind, wenn das Netz an Schnellladern dicht genug ist und wenn an den Ladepunkten mehr als eine Ladesäule vorhanden ist – dann funktioniert e-Mobilität prächtig. Auch in Norwegen ist man hier noch nicht am Endpunkt angelangt, aber auf dem besten Weg dorthin.

An lediglich einer Ladesäule stehe ich in Norwegen im „Nichts“. D.h., die zwanzig Minuten die ich dort zum Laden benötige, kann ich im (klimatisierten) Auto mit Facebook, Musikhören oder Dösen verbringen. Alle übrigen Ladesäulen befinden sich an Aussichtspunkten, Restaurants, Museen, Bäckereien, im Fährhafen oder ähnlichen Punkten wo man eh einen Teil seiner (Urlaubs-)zeit verbringt. Wer sich diese Zeit in einem so schönen Land wie Norwegen nicht nimmt, der hat ein ganz anderes Problem als Reichweitenangst.

Und wer meint, er könne (oder müsse) die 800 km von Hamburg nach München in einem Rutsch und ohne Pause schaffen, kennt die Realität nicht, belügt sich selbst oder sollte mal seine Terminplanung überdenken.

Mein Tempodurchschnitt von Oslo nach Helsingborg auf norwegischen/schwedischen Autobahnen mit einem Tempolimit von 110-130km/h war jedenfalls höher als der Schnitt auf der BAB7 von Flensburg nach Hannover.

Statistik

 

Gesamtkilometer (Tacho abgelesen) 2507
Reisedauer 4,5 Tage (Montag morgen – Donnerstag nacht)
Minimale Restkapazität 17% <=> 40km
Ladestopps 11
Gesamt Stromkosten 64,37€
Stromkosten pro 100km ca. 2,57€
Kosten für 4 x Fährüberfahrt ca. 280€
Benutzte Ladezugänge Fortum (Schweden, Norwegen per App), Maingau-Karte (Clever-Säulen)

2 Antworten auf „Langstreckentest mit dem Hyundai Ioniq Electric“

  1. Klasse!

    Ja, selbst mit dem Ioniq, der ja keine gewaltige Reichweite hat, ist es gut reisen. Mit Planung wäre es sicherlich noch eleganter geworden.

    Und ja, Strecken reißen ist out. Sicherheit mit regelmäßigen Pausen ist sehr elegant und entschleunigt. Stress im Urlaub brauche ich nicht.

    Viele Grüße vom Ioniq

    Michael

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