Der Hyundai Ioniq hat Funktionen für das (teil-)autonome Fahren integriert. Ein Spurhalteassistent (bei Hyundai LKAS genannt), der das Fahrzeug in der Fahrspur hält. Einen adaptiven Tempomat, der dafür sorgt, dass der Abstand zum Vordermann immer gleich bleibt. Dies sind die minimal notwendigen Komponenten um in die Welt des teilautonomen Fahrens einzutauchen. Was aber haben eine Orange und ein Papierschnipsel mit teilautonomen Fahren zu tun?
Nickerchen?
Was den Fahrer jetzt noch davon abhält, ein Nickerchen während der Fahrt zu machen sind die technischen Restriktionen des Herstellers und des Gesetzgebers. Und das ist auch gut so, doch dazu später mehr. Technisch ist das System beim Ioniq soweit reduziert, dass man dem LKAS alle 13 Sekunden ein Lebenszeichen geben muss. Die Hände sollen am Lenkrad bleiben – dies signalisiert das Auto durch einen prägnanten Piepton wenn es erkennt, dass das Lenkrad 13 Sekunden nicht mehr angefasst wurde. Wenn dann keine Reaktion erfolgt, kommt es zu einer weiteren, eindringlicheren Warnung bis hin zur Vollbremsung. Andere Hersteller sind hier mutiger und geben dem Fahrer 30 Sekunden oder sogar 1 Minute Zeit. Es reicht dann wirklich, einmal kurz an das Lenkrad zu fassen und es ein klein wenig zu bewegen. Die Zeit fängt dann von vorne an zu zählen.
Der Tempomat wird einmal eingestellt auf z.B. 120km/h. Der Abstandssensor erkennt das Fahrzeug vor ihm und regelt die Geschwindigkeit automatisch runter bis der gewünschte Abstand zum Vordermann eingehalten ist. So könnte man von Hannover bis Garmisch-Patenkirchen hinter einem anderen PKW hinterherfahren ohne das man das Gaspedal einmal betätigt. Wenn der andere PKW von der Autobahn abfährt, beschleunigt der Ioniq auf die angegebenen 120 km/h und sucht sich einen neuen Vordermann.
Auch im Falle eines Staus sind diese Funktionen äußerst angenehm. Leider funktioniert das LKAS nur ab 64 km/h, sodass man in diesem Falle das Lenkrad selbst kontrollieren muss. Der Tempomat allerdings tut seine Dienste bis hin zum Stillstand. Aber auch hier greift wieder eine technische Restriktion: Wenn das Auto länger als 5 Sekunden steht, muss entweder Gaspedal oder der entsprechende Schalter am Lenkrad betätigt werden. Dann hängt sich das Auto wieder an das vor ihm fahrende Fahrzeug.
Dieser Grad des teilautonomen Fahrens entspricht dem Level 2 des autonomen Fahrens, bereits mit Elementen aus Level 3. Siehe auch: Wikipedia Die Begeisterung ist groß, dass das Fahrzeug tatsächlich automatisch lenkend die Spur hält, und die Geschwindigkeit reduziert, wenn der Vordermann bremst.
Level up!
Das Piepen im 13 Sekunden Rhythmus, wenn man die Hände nicht am Lenkrad hält, wird dann aber irgendwann lästig. Schnell kommt der Gedanke, der Ioniq müsste die Kasseler Berge mit 130 km/h auf der Mittelspur doch auch ganz alleine schaffen! Es wächst der Wunsch nach einer weitergehenden Automatisierung. Und tatsächlich lassen sich die Systeme zur Restriktion auch zu einem gewissen Grad austricksen.
Hier kommen die oben erwähnten Hilfsmittel zur Geltung. Eine Orange und ein Papierschnipsel. Deren Funktion ist schnell erklärt: Die Orange wird in das Lenkrad eingeklemmt und gaukelt dem System vor, dass das Lenkrad in der Hand gehalten wird. Es reicht hier das Gewicht der Frucht, um den erforderlichen Gegendruck zu erzeugen. Das 13-sekündlich warnende Piepen entfällt und das Fahrzeug bleibt auf Spur.
Der Papierschnipsel wird dann im Stau oder Stopp & Go hilfreich: Wie im Bild gezeigt, arretiert dieser den RES/SET Schalter am Lenkrad. Die normalerweise notwendige Bestätigung, dass man die Fahrt nach 5 Sekunden Stillstand fortsetzen möchte, wird durch die Arretierung des Wippschalters automatisch ausgelöst. Diese beiden Helferleine bringen das Fahrzeug auf autonomes Fahren, mindestens Level 2.9! Rein theoretisch wäre mit diesen beiden Eingriffen eine autonome Fahrt von mehreren 100 Kilometern möglich.
Jetzt aber Nickerchen?
Mitnichten. Niemals. Unmöglich. Im Fall des Spurhalteassistenten gibt es Unwägbarkeiten, in denen das System nicht funktioniert und einfach den Dienst quittiert. Wenn der Fahrer das System überwacht, stellt dies kein Problem dar – einfach wieder Lenkrad in die Hand nehmen und manuell weiter fahren. Szenarien für ein Aussetzen des Systems sind beispielsweise Baustellenbereiche auf der Autobahn, in denen weiße und gelbe Linien parallel verlaufen oder sich sogar kreuzen. Oder Bereiche, in denen die Begrenzungslinien ganz fehlen oder kaum noch sichtbar sind. Wenn der Fahrer dann nicht eingreifen kann, kommt es unweigerlich zum Unfall.
Weiterhin ist im Stau bzw. Stopp & Go manuelles Lenken erforderlich, trotz automatischem Wieder-anfahren da der Spurhalteassistent nur bei höheren Geschwindigkeiten aktiv wird.
Ein langer Weg
Trotz aller technischen und gesetzlichen Restriktionen ist dieser Grad des teilautonomen Fahrens schon enorm entlastend für den Fahrer und trägt dazu bei, dass er deutlich entspannter am Ziel ankommt als ohne diese Assistenten. Auf langen Strecken einfach mal die Aufmerksamkeit ein wenig herunterschrauben zu können – den Fuß von den Pedalen nehmen zu können, sich mal auszustrecken, mal aus den Seitenfenstern schauen zu können – all das macht eine Langstrecke deutlich erträglicher.
Zum vollständig autonomen Fahren Level 4 oder 5 ist es noch ein langer Weg.