Dieser Beitrag soll die Zusammenhänge rund um den Einsatz von RCD-Geräten bei Ladeeinrichtungen für Elektroautos durchleuchten. RCD ist die Abkürzung für „Residual Current Device“ oder auf Deutsch „Fehlerstrom-Schutzschalter“ bzw. die auch übliche Abkürzung „FI-Schutzschalter“. Diese Schutzschalter dienen vorwiegend zum Personenschutz bzw. zur Abschaltung der Stromversorgung, wenn ein Fehlerstrom detektiert wird.
Beim Schutz gegen Berührung unterscheidet man hauptsächlich zwei Ansätze, wobei die Bezeichnungen leider nicht gerade selbsterklärend sind. Der Schutz gegen das sog. "direkte Berühren" bezeichnet Maßnahmen, die eine Berührung von im Normalzustand spannungsführenden Teilen verhinden. Zum Beispiel sind das die Kontakte einer Haushaltssteckdose. Eine derartige Isolation wird häufig auch als Basisschutz bezeichnet.
Fehlerschutz
Demgegenüber – bzw. eigentlich als Ergänzung – steht der Fehlerschutz. Üblicherweise auch als Schutz gegen "indirektes Berühren" bezeichnet. Die hierunter eingeordneten Maßnahmen sollen gegen eine Berührung von Teilen wirksam sein, die erst nach Auftreten eines Fehlers spannungsführend geworden sind. Ein solches Teil kann etwa das leitfähige Gehäuse eines Toasters sein.
Für den Schutz gegen indirektes Berühren gibt es mehrere Maßnahmen. Eine davon ist die verstärkte oder doppelte Isolation, üblich etwa bei netzbetriebenen Bohrmaschinen und erkennbar an dem doppelten Rechteck. Derartige Geräte weisen keinen Schutzleiteranschluss auf, weil davon ausgegangen wird, dass auch im Fehlerfall keine Teile spannungsführend werden können.
Fehlerschutz durch Abschalten
Eine andere Möglichkeit ist die Abschaltung beim Auftreten von Fehlern, insbesondere mit einer Überstrom-Absicherung, wie etwa einem Sicherungsautomaten. Zu diesem Zweck muss außerdem der Teil des Gerätes, der im Fehlerfall eine gefährliche Spannung führen könnte, mit dem Schutzleiter verbunden sein. Im Fehlerfall entsteht dann ein hoher Kurzschlussstrom, der die Sicherung auslöst und somit die Stromzufuhr unterbricht. Ein Beispiel hierfür ist der Toaster.
Schließlich gibt es noch den zusätzlichen Schutz, v.a. durch Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD). Diese Maßnahme soll den Fehlerstrom zeitlich begrenzen. Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen sollten immer dann zum Einsatz kommen, wenn damit gerechnet werden muss, dass ein gefährlicher Fehlerstrom auftreten könnte, der nicht hoch genug ist, um die Sicherung auszulösen. Dies trifft insbesondere auf Feuchträume zu, sowie Steckdosen bis 20 A Nennstrom [07, 08].
Hier steht die Frage im Vordergrund, ob die Verwendung der teuren Typ B Geräte auch vor dem Hintergrund einer praxisnahen Betrachtung gerechtfertigt ist. RCD des Typ B werden auch als allstromsensitiv bezeichnet, d.h. diese Geräte reagieren auf prinzipiell jeden beliebigen Fehlerstrom. Sehr viel preiswerter und weit verbreitet sind RCD des Typ A. Zusätzlich werden von einigen Herstellern auch RCD, meist mit dem Zusatz A-EV angeboten [32], die speziell für den Schutz beim Laden von Elektrofahrzeugen vorgesehen sind.
Auf die gesamte Thematik wurde ich zufällig aufmerksam. Bei einer neuinstallierten Drehstromversorgung für den Anschluss einer Wallbox wollte ich den Leiterwiderstand vermessen. Die Ermittlung des Schutzleiterwiderstandes erbrachte keine Überraschung – der Messwert lag im erwarteten Bereich. Bei der Vermessung der ersten Phase löste aber der RCD-Schutzschalter im Sicherungskasten aus.
Was war passiert? Ich wollte die Messung „zu perfekt“ machen und den Schutzschalter im Messkreis mit einbeziehen, weil dieser ja schließlich auch einen Beitrag zum Widerstand leistet. Die Messung führte ich dabei mit einem Gerät durch, welches für diese Aufgabe einen Gleichstrom von 10 A zur Verfügung stellt [01]. Selbstverständlich war der RCD-Schutzschalter bei der Messung vom 400 V-Netz getrennt. Der Messstrom von 10 A bewirkte die Auslösung des Schutzschalters.
Zunächst las ich mich oberflächlich in die Materie ein und erfuhr [02, 03, 04] von dem Verdacht, dass ein „einfacher“ und sehr weit verbreiteter RCD-Schutzschalter des Typs A die Belastung mit einem hohen Gleichstrom eigentlich nicht aushalten sollte bzw. dadurch dauerhaft geschädigt sei. Außerdem wird teilweise suggeriert, dass ein RCD Typ A bei Gleichstrom überhaupt nicht auslösen kann [04, 05, 06].
Es stellte sich aber unmittelbar heraus, dass dies nicht der Fall war. Nicht nur das Betätigen der Test-Taste verlief nach der Gleichstrom-Belastung erfolgreich, sondern auch die Simulation eines Fehlerstromes auf allen drei Phasen mit einem externen Widerstand.
Dieser scheinbare Widerspruch vertiefte mein Interesse und ich fragte mich, ob das „Überleben“ des RCD z.B. nur an der sehr kurzen Belastung mit dem hohem Gleichstrom lag.
Vorgehensweise
Für meine Untersuchungen beschaffte ich mir sechs verschiedene RCD-Schutzschalter des Typ A jeweils für einphasige Leitungen. Diese Entscheidung traf ich in der Erwartung, dass die Experimente zumindest einen Teil der untersuchten Schutzschalter zerstören würden und um entsprechende Kosten im Vergleich zu dreiphasigen Schutzschaltern zu sparen. Zugleich war mir bekannt, dass der Aufbau der einphasigen Ausführung nahezu identisch zu dem der dreiphasigen Version ist.
Die Preisspanne der Produkte lag zwischen 11,69€ und 27,90€ (amazon.de). Mein Ansatz war dabei herauszufinden, ob die Schutzschalter des Typs A evtl. eine bessere als spezifizierte Performance haben. Dementsprechend untersuchte ich keinen Typ B-Schutzschalter (oder gar EV). Mit anderen Worten ist das Ziel der Untersuchungen kein direkter Vergleich zwischen Typ A und Typ B Schutzschaltern, sondern vielmehr herauszufinden, was die Möglichkeiten und Grenzen der Typ A Schutzschalter sind.
Zunächst ermittelte ich die Auslöseschwelle bei AC-Fehlerstrom, d.h. die Höhe des notwendigen Fehlerstromes bis zum Abschalten. Im Anschluss daran untersuchte ich das Verhalten bei verschiedenen Arten von DC-Fehlerströmen. Da diese Belastungen auch im Verdacht stehen, den RCD des Typs A zu schädigen, untersuchte ich immer wieder den „normalen“ Abschaltstrom bei AC-Fehler, um ggf. eine Schädigung zu erkennen. Zum Abschluss demontierte ich alle sechs RCD.
Zunächst jedoch schloss ich jeden RCD an 230V an und testete alle erfolgreich sowohl mit der vorgesehenen Prüftaste als auch mit einem externem Widerstand von 4,77 kΩ, welcher einem Fehlerstrom von ca. 48 mA entspricht.
Anschließend belastete ich jeweils nur eine Phase der RCD mit unterschiedlichen Strömen. Der jeweils andere Anschluss der Schutzschalter blieb unbelegt, d.h. dass der beaufschlagte Strom auch gleich dem „Fehlerstrom“ war (siehe Bild unten). Für die Erzeugung der Ströme verwendete ich einfache Kleinnetzteile. Da für die Auslösung bei AC-Fehlerstrom auch nur ein kleiner Wert benötigt wird, reichte dafür ein einfacher einstellbarer Vorwiderstand (blau im Bild). Für DC-Fehlerstrom kam ein gewöhnliches elektronisches Netzteil zum Einsatz (rot im Bild).
Auslöseverhalten bei Wechselstrom
Alle RCD wurden jeweils zur Kontrolle mit einem ansteigenden AC-Fehlerstrom bis zur Auslösung beaufschlagt. Um zu überprüfen, ob die RCD durch die Versuche verschleißen o.ä., wiederholte ich permanent diesen Versuch zum Abschalten bei ansteigendem AC-Fehlerstrom. Dieser Wert war sozusagen mein Qualitätskriterium über den Zustand des jeweiligen RCD.
Auf diese Weise ergeben sich in Summe 11 Messwerte für jeden RCD, deren Verlauf das folgende Diagramm zeigt. Hierbei sollte man die Verschiebung der Stromwerte beachten, die hier erst bei 15 mA beginnen. Nur der RCD von Hager zeigt ein tendenziell kritisches Verhalten mit dem Ansteigen des benötigten Fehlerstromes. Der RCD von Siemens "verbessert" sich dagegen sogar.
Mit den ermittelten Werten liegen aber alle RCD noch innerhalb der spezifizierten und erforderlichen Toleranz. Bedingt durch den mechanisch komplizierten inneren Aufbau der RCD ergeben sich ohnehin Ungenauigkeiten in der Größenordnung von mindestens 1 mA. Daher würde ich mich zur Deutung des Bildes nor soweit äußern wollen, dass eine signifikante Schädigung nach den Versuchen bei keinem RCD vorliegt.
Belastung mit Gleichstrom
Nun möchte ich aber endlich die "Belastungsversuche" beschreiben. Zunächst war dies die Belastung mit einem DC-Fehlerstrom von 6 mA, dann 10 mA, jeweils für die Dauer von zwei Sekunden und anschließend 10 mA über zwei Minuten. Außerdem wurden alle RCD mit einem DC-Fehlerstrom von 1 A belastet, was bei allen zur sofortigen Auslösung führte.
Im Folgenden belastete ich alle RCD für die Dauer von 20 Sekunden mit 30 mA DC. Schließlich erhöhte ich unter fortwährender Bestromung den DC-Wert auf maximal 180 mA. In einem weiteren Versuch erhöhte ich die DC-Strombelastung langsam bis zu einem Wert von 1,1 A. Für den RCD von Eaton endete dieser Versuch allerdings bereits bei 40 mA durch dessen Abschaltung. Obwohl ich mich um sehr langsames Hochregeln bemühte, war vermutlich die "Steilheit" für dieses Bauteil immer noch zu groß. Alle übrigen RCD dagegen lösten bis zum Ende nicht aus.
1. Pulsförmiger DC-Fehlerstrom
Ich ermittelte, bei welchem Stoßstrom mit Gleichstrom die RCD’s auslösen. Dazu erhöhte ich schrittweise den Strom und beaufschlagte durch Anlegen von Prüfspitzen den Schutzschalter. Es zeigen sich teilweise signifikante Unterschiede bezüglich des Auslöseverhaltens bei DC-Fehlerstrom. Während der RCD von Commel bis zu 180 mA gar nicht auslöst und das Produkt von Hager erst bei 165 mA, reagiert der Eaton-RCD bereits bei 33 mA.
2. Reduzierung des DC-Fehlerstromes
Im nächsten Versuch reduzierte ich aus Gründen der Reproduzierbarkeit den DC-Fehlerstrom von 180 mA ausgehend abwärts. Ein wenig überraschend ist das vergleichsweise gute Abschneiden für den RCD von Commel. Ich vermute, dass das allmähliche Erhöhen im voraus gegangenen Versuch zur magnetischen Sättigung und einer verringerten Empfindlichkeit für DC-Fehlerströme führt. Dieser Effekt wird beim langsamen Verringern und dem sofortigen Abschalten vermieden.
3. Versuche auf 230V Spannungsebene
Nun verwendete ich einen 230 V-Gleichrichter mit einem 330 µF-Elektrolytkondensator. Geladen wird der Gleichrichter über einen Hochlastwiderstand von 110 Ω. Eine ständige Last bzw. definierte Entladung besteht in Form eines Widerstandes von ca. 2 MΩ. Gemeinsam mit den sich ergebenden Fehlerströmen von max. 300 mA ergibt sich nach meiner Erfahrung eine gute Glättung und geringe Restwelligkeit. Die Spannung gegen Schutzleiter betrug bei diesem Netzteil ± 110 V DC. Auch hier veränderte ich den DC-Fehlerstrom stufenweise durch Lastwiderstände. Die beschriebene einfache Schaltung zeigt Bild 14.
Als einziger RCD konnte der von Commel bis zu einem maximalen DC-Fehlerstrom von 300 mA nicht auslösen. Sehr wahrscheinlich liegt dies daran, dass insbesondere bei größeren Strömen die Steilheit des Stromimpulses durch die Widerstände gedämpft wird. Mit diesem Umstand hat der RCD von Commel offensichtlich Probleme. Alle übrigen RCD’s reagieren bei DC-Fehlerströmen von max. knapp über 30 mA, meistens sogar bei noch geringeren Strömen.
4. Einfluss DC-Fehlerstrom-Überlagerung
Als letzte Versuchsreihe wird analysiert, welchen Einfluss eine DC-Fehlerstrom-Überlagerung auf die spezifizierte AC-Fehlerstrom-Empfindlichkeit bei RCD des Typ A aufweist. Hierzu nutzte ich ganz einfach die Tatsache von zwei detektierten Leitern (L und N) bei jedem Gerät. Dafür wird ein Leiter dauerhaft mit einem Gleichstrom von 30 mA belastet, welcher für alle RCD einen Wert darstellt, der nicht zum Auslösen führt (Bild 15). Eine Ausnahme war der RCD von Eaton, der unter Bestromung zurückgesetzt werden muss, weil er doch spontan bei 30 mA DC auslöst.
Der andere Leiter wird mit einem allmählich gesteigerten AC-Fehlerstrom durchflossen, wobei der Auslösewert die interessierende Variable war. Wie man erkennt, zeigen einige RCD's keine negative Beeinflussung durch den DC-Fehlerstrom. Es ergibt sich sogar eine tendenziell reduzierte Auslöseschwelle, was sich durch eine je nach Halbwelle positive Überlagerung von AC- und DC-Fehlerstrom erklären lässt. Die RCD's von Commel und Hager jedoch lösen jeweils erst bei über 40 mA AC-Fehlerstrom aus. Dies liegt doch signifikant über den sonst ermittelten Werten und auch über der Spezifikation von 30 mA.
In manchen Literaturstellen [13, 14] wird die sog. Erblindung von RCD des Typ A erwähnt. Diese bezeichnet eine Unempfindlichkeit gegenüber AC-Fehlerströmen durch überlagerte DC-Fehlerströme, wobei stets ein kritischer Wert von 6 mA DC genannt wird. Ich führte die Versuche mit einem fünffach höherem über dem als kritisch beurteilten Wert durch.
Von einer "Erblindung" würde ich bei keinem der RCD's sprechen. Wenn man bei der bildhaften Sprache bleiben möchte, wird die "Sehkraft" im schlimmsten Fall vorübergehend auf ca. 50% reduziert. Die meisten RCD's jedoch zeigen keinerlei "Sehschwäche" durch den überlagerten DC-Fehlerstrom.
Nach den Versuchen zerlegte ich alle RCD-Schutzschalter und untersuchte deren inneren Aufbau mit teilweise überraschenden Erkenntnissen:
Ein weichmagnetischer Kern enthält die zu detektierenden stromführenden Leitungen, bei den hier betrachteten Wechselstrom-RCD also eine Phase und den Nullleiter. Außerdem ist auf den gleichen Kern eine Spule gewickelt, die den Fehlerstrom galvanisch entkoppelt weiterverarbeitet (roter Rahmen).
Weiterhin ist ein elektromechanischer Aktor enthalten, der v.a. aus einer Erregerspule und Mechanik wie etwa Hebel-Elementen und einem Permanentmagnet besteht (gelber Rahmen). Dieser Aktor betätigt wiederum über eine zusätzliche, manuell rückstellbare Mechanik (oranger Rahmen) die Schaltkontakte (lila Rahmen).
Außerdem ist bei allen RCD‘s ein Widerstand (blauer Rahmen) enthalten, der, manuell durch die Testtaste (grüner Rahmen) ausgelöst, einen Fehlerstrom simuliert.
Unterschiede der RCD's
Dennoch weisen die untersuchten RCD bei näherer Betrachtung zum Teil große Unterschiede auf. Bis auf das Produkt von Commel enthalten alle RCD’s elektronische Bauteile im Kreis der Sensorspule. Dies sind hauptsächlich Dioden und Kondensatoren, aber durchaus auf verschiedene Art und Weise verschaltet.
Die Magnetkreise sind ebenfalls im Detail unterschiedlich, die größte Gemeinsamkeit ist eigentlich der Aufbau mit Ringkern. Die Größe des Kernes variiert ebenso deutlich wie die Anzahl der Primär- (Phasen- und Neutralleiter) und Sekundär- (Sensorspule) Windungen.
Der Durchmesser des Ringkerns weist beispielsweise Werte zwischen 12mm und 25mm auf. Die Windungszahl der Primärwicklung (Phase und Nullleiter) variiert zwischen 0,5 und 2,5 - die Sekundärwicklung besteht sogar aus minimal 4 und maximal 62 Windungen. Des Weiteren unterscheiden sich die RCD’s im mechanischen Aufbau wie etwa dem Prinzip der Kraftübertragung mit Hebel, Federn usw.
Zusammenhang zwischen Aufbau und Performance
Bei der Demontage fällt außerdem auf, dass der RCD von Eaton als einziger eine galvanisch getrennte Kurzschlussspule aufweist. Die mit dem elektromechanischen Aktor verbundene „Spule“ ist nur einmal durch den Kern geführt. Sie ist nicht leitend mit der mehrwindigen Spule verbunden, die wiederum mit den elektronischen Bauteilen verschaltet ist. Mutmaßlich ist es kein Zufall, dass dieser RCD von Eaton auch die besten Eigenschaften hinsichtlich einer Sensitivität gegen DC-Fehlerstrom aufweist.
Im negativen Sinne auffällig ist der RCD von Commel. Sehr wahrscheinlich durch den preislich bedingten Verzicht auf elektronische Bauteile ergibt sich eine Unempfindlichkeit gegenüber DC-Fehlerströmen. Außerdem fällt auf, dass die Windungsanzahl verglichen mit den anderen RCD's deutlich geringer ausfällt.
Elektronische Schaltungen
Vermutlich ist der gewünschte Effekt der Schaltung eine Erhöhung der Induktionsspannung durch Erzielung steilerer Rampen des Stromverlaufes – insbesondere mit Hilfe des nicht-linearen Schaltverhaltens der Halbleiter-Dioden. Denn die Höhe der induzierten Spannung, die letztlich den Aktor für die elektromechanische Auslösung antreibt, hängt stark von der Frequenz ab.
Da die Anordnung zweier Spulen auf einem gemeinsamen Kern Assoziationen zu einem Transformator weckt, möchte ich auf diesen Trugschluss kurz eingehen. Der Transformator dient der effektiven Leistungsübertragung sinusförmiger Ströme, weshalb möglichst viel Kupfer und Eisen verwendet wird. Die Ringkernspulen von RCD des Typ A dagegen sollen möglichst empfindlich sowohl auf relativ geringe Eingangsströme als auch auf schnelle Änderungen der Ströme reagieren.
Würde sich die erste Forderung noch in etwa mit einem Transformator umsetzen lassen, gibt es bei der Empfindlichkeit gegen schnelle Änderungen Probleme. Je mehr Windungen eine Spule hat, desto stärker werden Stromänderungen bedämpft, d.h. die Spule selbst wirkt als Filter. Folglich muss bei der Auslegung der Spulen eines RCD ein bestmöglicher Kompromiss gefunden werden.
Eine Verbesserung ergibt mit Sicherheit die besagte einfache Schaltung. Insbesondere durch das nicht-lineare Verhalten der Dioden werden quasi künstlich Stromsprünge erzeugt. Meiner Meinung nach ist es kein Zufall, dass der einzige RCD ohne diese Schaltung die mit Abstand geringste Anzahl Windungen in der Sensorspule enthält. Vermutlich konnte nur so die Bedämpfung ausreichend vermieden werden.
Um aus den Untersuchungen die richtigen Schlüsse ziehen zu können, beschäftigte ich mich auch intensiver mit aktuellen Vorschriften zur Verwendung von RCD im Allgemeinen und denen des Typ B im speziellen.
Allerdings taucht auch immer wieder die Forderung zur Einhaltung des „Stands der Technik“ auf, welcher wiederum für die Elektrotechnik am genauesten in Normen des VDE, CENELEC oder IEC beschrieben ist. Aber auch im "Blue Guide" [15] oder auch in den europäischen Richtlinien selbst wird die Rolle der Normen hervorgehoben. Besonders im elektrotechnischen Bereich hat es sich etabliert, diese Normen als quasi-verbindliche Regelwerke aufzufassen und dementsprechend zu erfüllen.
Dennoch möchte ich kurz festhalten, dass rechtlich unmittelbar verbindliche Dinge in europäischen Richtlinien und nationalen Gesetzen geregelt sind. Diese unterliegen auch dem staatlichen Reglement bzw. der staatlichen Verantwortung. Dementgegen ist die Mehrzahl von Normensgremien meist aus der Industrie (Hersteller usw.), Industrieverbänden (z.B. VDE) etc. zusammengesetzt. Natürlich versprechen sich die Unternehmen und Verbände ein gutes Stück Lobby-Tätigkeit bei Erstellung einer Norm.
Da jedoch Normen meist am genauesten den Stand der Technik zur Erfüllung der verbindlichen Richtlinien und Gesetze beschreiben, ist man im Zweifelsfall immer gut beraten, diese Normen unzusetzen. Sonst müsste man nämlich ggf. nachweisen, dass man den Stand der Technik zwar einhält, aber eben anders als in den relevanten Normen beschrieben. Man kann sich vorstellen, dass dieser Weg z.B. vor Gericht bei einem Rechtsstreit recht schwierig sein kann. Manchmal wird dies auch als Umkehrung der Beweispflicht bezeichnet.
Normen mit Bezug zu RCD
In einigen allgemeingültigen Normen der Elektrotechnik [18] wird in Ergänzung zu anderen Schutzmaßnahmen gegen Stromschlag auch die Verwendung von RCD beschrieben bzw. teilweise sogar gefordert [19, 20]. Wenig überraschend wird dabei sein, dass die Vorgaben über die Jahre betrachtet immer weiter verschärft wurden. So besteht heutzutage die Forderung, alle neuen Steckdosen (an denen Laien hantieren könnten), mit einem vorgeschalteten RCD auszustatten [08]. Eine Nachrüstpflicht besteht allerdings nicht.
In mehreren Normen wird erwähnt, dass RCD des Typ A Einsatzgrenzen haben [06, 08]. Überall, wo diese Grenzen überschritten werden, muss stattdessen ein entsprechend geeigneter RCD (meist Typ B) eingesetzt werden [06, 19]. Wo genau mit diesen Bedingungen zu rechnen ist, wird in diesen allgemeinen Normen allerdings nicht erwähnt. Konkreter werden hier weiter „spezialisierte“ Normen, in denen diese Voraussetzungen klar umrissen werden, mit der Konsequenz, dass etwa ab dem heutigen Datum Ladestationen für Elektroautos mit einem RCD des Typ B ausgestattet werden sollen/müssen.
Selbstverständlich gibt es auch sehr detailliert ausgeführte Normen, die die notwendigen Eigenschaften von RCD unterschiedlicher Typen beschreiben [21, 22]. Hier werden nicht nur die einzuhaltenden Strom- und Zeitgrenzwerte betrachtet. Darüber hinaus wird auch ausführlich beschrieben, wie RCD geprüft werden müssen, um die Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzwerte nachweisen zu können. Für alle von mir untersuchten RCD’s sichern die jeweiligen Hersteller die Einhaltung ebendieser Norm zu.
Es ist dabei festzuhalten, dass die Vorschriften gerade innerhalb der letzten Jahre angepasst und an vielen Stellen verschärft wurden.
Diese Vorschriften kann man wiederum mit Erkenntnisse und Grenzwerten zur Körperdurchströmung vergleichen.
Dagegen gilt die Netzspannung von 230 V / 50 Hz völlig zu Recht als gefährlich [16] – jeder, der hier schon einmal eine unangenehme Erfahrung machen musste, wird dies bestätigen. In Normen wird – nicht wirklich überraschend – noch weiter gegangen: als sog. berührungssichere Spannung gelten demnach max. 25 V AC bzw. 60 V DC [01, 18], falls eventuell Feuchträume o.ä. berücksichtigt werden müssen, verschieben sich die Grenzen sogar zu 12 V AC bzw. 30 V DC [08].
Wirkung auf den Körper
Dieser scheinbare Widerspruch hinsichtlich der Spannungsbereiche liegt darin begründet, dass ursächlich für die Wirkung auf den menschlichen Körper nicht die Spannung, sondern der resultierende Strom und die Dauer dieser Belastung sind. Bei den oben genannten Beispielen des Weidezaunes oder der elektrostatischen Entladung sind diese entscheidenden Parameter stark begrenzt - und zwar innerhalb der Spannungsquelle. Demgegenüber werden der Strom und insbesondere die Dauer des Stromflusses z.B. bei 230 V Netzspannung mit einem Sicherungsautomaten zunächst nur insoweit eingegrenzt, dass Schäden an der Leitung vermieden werden.
In guter Näherung und allgemein üblich [23] wird der menschliche Körper als rein ohmscher Widerstand angenommen. Neben diesen ohmschen Anteilen existieren zwar auch kapazitive, aber dies hat in der Praxis eine untergeordnete Bedeutung. Im Falle der Berührung einer Spannungsquelle ergibt sich folglich der resultierende Strom nach dem ohmschen Gesetz aus dieser Spannung und dem Widerstand des Körpers sowie eventuell weiteren Widerständen wie beispielsweise dem des Fußbodens.
Ersatzschaltbild
Die folgende Illustration soll diesen Zusammenhang bei einer Ableitung über die Füße und den Fußboden erläutern. In der ebenfalls dargestellten elektrischen Ersatzschaltung ergibt sich eine Reihenschaltung von insgesamt 6 Widerständen. Hierbei schließen die Widerstände für Hand und Fuß auch die jeweiligen Übergangswiderstände mit ein.
Folgend ist dagegen beinahe die gleiche Situation betrachtet - bloß mit dem Unterschied, dass nun die Person mit der zweiten Hand einen geerdeten Körper wie etwa eine Heizung berührt. Hier zeigt sich, dass in der Reihenschaltung nur noch vier Widerstände eine große Rolle spielen (der Widerstand der Brust ist zwar auch vorhanden, aber deutlich kleiner als der des Rumpfes). In beiden Fällen sind jeweils die Widerstände elektrischer Leitungen vernachlässigt, weil diese Werte in der Größenordnung einiger Milliohm im Vergleich zu den Körperwiderständen im Kiloohmbereich sehr klein sind.
Nach IEC 60479-1 [24] beträgt die Körperimpedanz bei Durchströmung von Hand zu Hand ca. 80% zu Hand-Fuß. Hinzu kommt noch der Widerstand des Fußbodens. An diesem einfachen Beispiel erkennt man bereits, dass sich die ergebende Körperdurchströmung bei verschiedenen Szenarien signifikant unterscheiden kann.
Gefahren durch elektrischen Strom
Bei der Betrachtung körperlicher Schäden steht fast immer die Wirkung auf das menschliche Herz im Vordergrund [23, 24]. Eine elektrische Durchströmung kann zu Herzkammerflimmern oder zum Herzstillstand führen. So gilt z.B. ein Stromweg von einer Hand zur anderen Hand als kritisch, weil dabei das Herz besonders stark vom Strom durchflossen wird [25]. Darüber hinaus sind auch thermische Wirkungen wie etwa Verbrennungen möglich, die aber in den meisten Betrachtungen eine eher untergeordnete Rolle spielen.
Häufig wird auch darauf hingewiesen, dass bereits deutlich geringere Stromschläge gefährlich sein können. Zum Beispiel kann der Schreck durch den Stromschlag zum Sturz von einer Leiter führen. Rein technisch sind derartige Risiken aber leider nicht beherrschbar. Allerdings existiert noch die sog. Loslassgrenze bei ca. 10 mA AC, die auf einer Muskelverkrampfung bei Überschreitung dieses Wertes basiert [23, 25].
Festgelegte Grenzwerte
Wesentliche Grundlage für die Einordnung gefährlicher bzw. ungefährlicher Körperdurchströmungen bildet die Norm IEC 60479-1 [24]. Hierauf basierend müssen RCD des Typ A auf einen Fehlerstrom von 30 mA AC reagieren. Die Werte dieser Norm fußen auf Tierversuchen, Untersuchung an Verstorbenen (Körperwiderstand) und der Übertragung der Ergebnisse auf den Menschen. Die folgende Illustration gibt den Strom-Zeit-Verlauf für Wechselstrom (AC) wieder.
Man beachte an dem Bild die doppelt-logarithmische Darstellung. Im ganz linken Bereich AC-1 liegt der Strom unter der Wahrnehmungsgrenze. Hierauf folgt der Bereich AC-2, wo der Strom so wahrgenommen wird, dass Folgeunfälle möglich sind. Im Bereich AC-3 wird bereits von Muskelverkrampfungen und ähnlichen Erscheinungen ausgegangen ("Loslassgrenze"). Beim Bereich AC-4 schließlich muss mit tödlichen Auswirkungen auf den Herzmuskel gerechnet werden.
Hier erkennt man auch die Bedeutung von der Auslöseschwelle bei ca. 30 mA für typische RCD des Typ A. Auf Dauer (ca. > 2 Sekunden) muss dieser Wert einer AC-Körperdurchströmung unterschritten werden, um die Gefahr tödlicher Herzschädigungen zu vermeiden.
Anpassung der Grenzwerte
Einen etwas anderen Ansatz verfolgte eine Untersuchung der Berufsgenossenschaft (BG) „Elektro Textil Feinmechanik“, heute BG ETEM („Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse“ [25]). Grundlage für diese Untersuchung war die Betrachtung des tatsächlichen Unfallgeschehens im Zusammenhang mit Stromschlägen. Aus deren Analyse und statistischen Überlegungen werden in dem Dokument Grenzwerte kritischer Körperströme abgeleitet.
Bemerkenswert dabei ist, dass diese Grenzen nicht nur deutlich oberhalb der Werte der Norm IEC 60479-1 liegen, sondern auch, dass eine Empfehlung zur Anpassung der Werte in der Norm ausgesprochen wurde. Diese neue vorgeschlagene Grenze für den Bereich AC-4 ist im Bild 24 rot gestrichelt eingezeichnet. Man beachte: dieser Vorstoß stammt von einer Berufsgenossenschaft, die an der Unversehrtheit der versicherten Arbeitnehmer interessiert ist!
Kurz gesagt, wurde der Empfehlung nicht gefolgt. Wenn man berücksichtigt, dass sich dieses Normungsgremium vermutlich in der Hauptsache aus industriellen Teilnehmern, wie etwa Herstellern von elektrischen Geräten zusammensetzt, kann man sich über die Beweggründe ggf. seinen eigenen Reim machen. Wie in anderen Normen auch ist hier ganz im Gegenteil über die Zeit gesehen eher eine Verschärfung vorgenommen worden. So heißt es etwa im Änderungsvermerk des DIN mit Bezug zur Version von 1996 u.a.: "[...] Änderung der Grenzlinie b von 10 mA auf 5 mA [...]", gemeint ist dabei die Loslassgrenze.
Mich interessiert hierbei vor allem, inwieweit die aktuelle Vorschriftenlage überhaupt auf dem eigentlichen Ziel, nämlich der Vermeidung schwerwiegender Stromunfälle beruht. Kurz gesagt, können hier durchaus Zweifel aufkommen.
Basierend auf der Technologie von Ladegräten für Elektroautos können Rückschlüsse auf mögliche relevante Fehlerzustände gezogen werden.
Für die Erzeugung kritischer DC-Fehlerströme beim Laden von Elektroautos müssen ein paar notwendige Grundbedingungen gegeben sein:
1. Der Gleichstromkreis muss eine leitende Verbindung mit dem Schutzleiterpotenzial aufweisen. Bei einer galvanischen Trennung wie etwa einem Transformator kann der Sekundärkreis nahezu beliebige Potenziale gegen Erde haben, diese sind jedoch nicht oder kaum belastbar. Das bedeutet, dass bei einem Stromfluss die vorher messbare Spannung auf niedrige Werte zusammenbricht.
2. Der Spannungswert muss eine kritische Höhe aufweisen. So kann sich gemeinsam mit dem menschlichen Körper als Widerstand ein entsprechend gefährlicher Strom ausbilden.
3. Der Gleichstromkreis muss an der vorhandenen Isolation einen Fehler aufweisen – z.B. kann dies ein defektes Kabel sein.
Weitere Dinge wie etwa, dass das Gerät im kritischen Zeitpunkt auch tatsächlich eingeschaltet ist, die gefährdete Person nicht „zu gut isolierende“ Schuhe trägt und auf einem einigermaßen leitfähigen Untergrund steht, werden hier vorausgesetzt.
Betrachtungen bei einer Wallbox
Ferner muss es sich natürlich um ein Ladegerät handeln, welches an der Fehlerstelle überhaupt eine Gleichspannung zur Verfügung stellt. Bei Ladeverfahren mit Wallbox, die eine Energieversorgung zum Elektroauto über Wechselstrom- oder Drehstromkabel herstellen, wird die Problematik von DC-Fehlerströmen quasi an das Fahrzeug und die hier integrierte Ladeelektronik ausgelagert, weil erst dort der Gleichstrom erzeugt wird [26].
Denn eine Wallbox, die geschätzt zu wenigstens 95% bei privaten Installationen angewendet wird, ist eigentlich nur ein Schalter. Ein Signalgenerator übermittelt mit Hilfe Pulsweiten-modulierter Signale (PWM) und Widerstandswerte dem Fahrzeug eine Informationen über den durch die Installation maximal zur Verfügung stehenden Wechsel- bzw. Drehstrom. Meist werden auch Informationen vom Fahrzeug zur Box zur Verfügung gestellt. Die Übertragung erfolgt über die Kontakte CP/PP des Ladesteckers.
Weitere typische Funktionen einer Wallbox sind ein gezieltes Schalten (z.B. für das Laden in der Nacht), eine Messung des Stromes (zur Energieberechnung), eine Anzeige sowie die Datenübertragung an das Heimnetz oder über mobile Anwendungen. Der Schalter, hier symbolisiert als elektromagnetisches Schütz kann natürlich ebenso als Halbleiter-Schalter ausgeführt sein.
Quellen für DC-Fehlerströme
Ob eine Wallbox oder eine Gleichstrom-Ladesäule verwendet wird, hat großen Einfluss auf die Orte und die Ausdehnung von DC-Fehlerströmen. Dies veranschaulichen die Bilder unten. Bei Anschluss an eine Wallbox können gefährliche DC-Spannungen bzw. -Fehlerströme nur bei einem Defekt an Bord des Elektrofahrzeuges auftreten.
Der RCD schaltet die Hauptenergie des Fahrzeuges, die Hochvolt-Batterie, allerdings gar nicht ab. Indirekt könnte über die Deaktivierung der Kommunikation durch CP/PP eine Abschaltung von Teilen der Fahrzeugelektrik erfolgen. Dies dürfte aber von Fahrzeug zu Fahrzeug unterschiedlich sein. Folglich beruht die Sicherheit vor elektrischen Stromschlägen durch Defekte am Hochvolt-Bordnetz nahezu ausschließlich auf im Fahrzeug integrierte Systeme.
Einfluss des Elektrofahrzeuges
Hierzu sollte man wissen, dass das Bordnetz eines Elektrofahrzeuges ein sog. IT-Netz ist [26]. Dies bedeutet, dass kein Pol des Hochvolt-Netzes mit der Fahrzeugmasse (bzw. dem Schutzleiter) ein definiertes Potenzial aufweist. Vielmehr wird eine Isolation hergestellt und auch überwacht. Die Berührung einer der beiden Potentiale (Plus oder Minus) führt daher noch zu keinem Stromschlag - erst wenn beide Leiter gleichzeitig kontaktiert werden, ist dies gefährlich.
Die Berührsicherheit in einem Elektrofahrzeug beruht daher wie bei allen IT-Netzen auf einer ununterbrochenen Überwachung der Isolation. Bei Erkennung eines Isolationsfehlers wird die Spannungsquelle abgeschaltet. Diese Netzform wird z.B. auch in Krankenhäusern oder Rechenzentren angewandt, wo die Verfügbarkeit der elektrischen Energie wichtig ist.
Wichtig für die zuverlässige und sichere Funktion der beschriebenen Schutzmechanismen ist aber die galvanische Trennung von dem Hochvolt-Bordnetz und dem externen Wechsel- bzw. Drehstromnetz. Dies wird normalerweise durch das im Fahrzeug integrierte AC/DC-Modul gewährleistet.
Bedingung für gefährliche DC-Fehlerströme
Folglich sind also nur DC-Ladeverfahren wirklich relevant hinsichtlich gefährlicher DC-Fehlerströme, die durch einen entsprechenden RCD in der Haustinstallation beherrscht werden können.
Über diese Rahmenbedingungen hinaus müssen zusätzlich weitere Faktoren erfüllt sein, damit ein RCD vom Typ A nicht auslöst und damit die Person einen gefährlichen Stromschlag erleidet:
a) Der Gleichstrom darf nicht über das Gehäuse bzw. über eine andere Verbindung zur Schutzerde abfließen. Dieser satte Kurzschluss würde sonst die Überstromsicherung auslösen.
b) Abhängig vom RCD (siehe die Untersuchungen) darf der Fehlerstrom bei Auftreten des Fehlers bestimmte Werte nicht überschreiten. Das bedeutet, bis auf die Ausnahme des RCD von Firma Commel, Stromwerte von unter 30 mA.
c) Da diese geringen Stromwerte noch nicht tatsächlich gefährlich sind, müssten sie sich nach Auftreten des Fehlers irgendwie langsam steigern. Wenn dies zu schnell ginge, würden wiederum die (meisten) RCD's des Typ A auslösen.
Eintreffen gefährlicher Zustände
Um Bedingung a) zu erfüllen, muss quasi das Schutzkonzept als solches versagen. Denkbar sind hier aber in der Praxis immer entsprechende Schäden am Ladekabel selbst. Hier kann sowohl die Aderisolation als auch der Kabelmantel eine Schädigung aufweisen.
Demgegenüber würde beim Ladegerät selbst die Bedingung a) bedeuten, dass bei Schutzklasse II die doppelte oder verstärkte Isolation defekt, also mechanisch zerstört ist. Der Besitzer müsste mit seiner Ladestation äußerst unachtsam umgehen. Bei Schutzklasse I würde es quasi auf einen Konstruktionsfehler hinaus laufen. In diesem Fall wäre ein leitfähiges Teil am Gehäuse spannungsführend geworden, welches nicht oder nicht mehr mit Schutzerde verbunden ist. Ich halte diese beiden Fehler für wenig plausibel.
Die Voraussetzung b) klingt erst einmal sehr unwahrscheinlich. Geht man allerdings z.B. von einer Spannung von 500 V DC gegen Schutzerde aus, so müsste der resultierende Widerstand aus menschlichem Körper, Fußboden usw. bei ca. 20 kΩ liegen. Dieser Wert kann in der Praxis durchaus erreicht werden.
Langsamer Stromanstieg
Die Bedingung c) dagegen, der langsame Stromanstieg, erfordert meiner Meinung nach schon nahezu labormäßige Voraussetzungen. Beispielsweise könnte man sich einen Stromfluss durch Körper und Füße im ersten Schritt mit einem Strom von 20 mA noch gut vorstellen. Allerdings gilt dieser Stromfluss als durchaus schmerzhaft und Gegenreaktionen der Person sind sehr wahrscheinlich.
Im nächsten und dann tatsächlich gefährlichen Schritt müsste sich dieser Strom langsam steigern – sagen wir auf bis zu 200 mA. Wenn das Berühren eines geerdeten Körpers, wie etwa ein Wasserrohr mit der zweiten Hand diesen höheren Strom verursachen würde, so dürfte dies nicht schlagartig geschehen, sondern (irgendwie) allmählich. Ehrlich gesagt, fehlt mir bei diesem „irgendwie“ die nötige Phantasie.
Ein anderes Szenario könnte sein, dass der Isolationsfehler am Gerät zunächst mit hohem Widerstand beginnt und sich dann langsam verschlimmert. Denkbar wäre hier eventuell eine Kriechstrecke durch einen Riss in der Isolation, wo allmählich Wasser eindringt und eine Person genau diese Kriechstrecke berührt.
Mögliche Fehlerorte
Wo kann an einem Ladegerät für Elektroautos überhaupt so ein Fehler der Isolation auftreten? Aus meiner Sicht das mit Abstand wahrscheinlichste Teil wäre das Ladekabel selbst, u.a. weil dieses einem gewissen mechanischen Verschleiß unterliegt, der Witterung ausgesetzt sein kann usw.
Die folgenden Bilder veranschaulichen den theoretischen Ablauf mit dem skizzierten Kabelquerschnitt. Der Fehler entsteht an der grauen Ader, sowohl an der Aderisolation als auch an der identischen Stelle im Kabelmantel. Anschließend dringt leitfähiges Wasser ein und stellt so eine leitende Verbindung zum Finger her. Zunächst ist der gesamte Widerstand gegen Erde relativ hoch und der Fehlerstrom mit 20 mA noch nicht bedrohlich.
Die Person könnte nun das Kabel an der beschädigten Stelle knicken, so dass sich der Querschnitt des Risses in der Isolation vergrößert. Dies verringert den Widerstand und der Strom steigt auf gefährliche 200 mA - aber relativ langsam. Nach dem ersten Berühren darf die Person das Kabel trotz mutmaßlicher Schmerzen das Kabel nicht mehr loslassen, denn beim Wiederkehren des Kontaktes und damit des nun höheren Fehlerstromes würde der RCD des Typ A auslösen.
Wichtige Voraussetzung bei diesem Szenario ist außerdem, dass die Person sehr gut geerdet ist. Nur so kann der sich verändernde Widerstand am Riss im Verhältnis ausreichend hoch sein. Dann bewirkt die beschriebene Änderung des Risses im Kabel überhaupt eine ausreichende Erhöhung des Stromes um den Faktor 10.
Diese zu detektierenden Fehler konnte ich schließlich mit den Einsatzgrenzen der RCD-Schutzschalter des Typ A vergleichen, indem ich die Ergebnisse der Versuche berücksichtigte. Es zeigte sich, dass nur wenige bzw. sehr unwahrscheinliche Fehler kritisch hinsichtlich der Sensitivität von RCD des Typ A sind.
Fazit
Das Auftreten von gefährlichen DC-Fehlerströmen, die ein RCD des Typ A nicht erkennt, erfordert eine ganze Reihe von Bedingungen. Nach meiner Meinung ist daher ein solcher (lebens-)gefährlicher Fehlzustand zwar nicht vollständig auszuschließen, aber doch sehr unwahrscheinlich.
Nach Zahlen des statistischen Bundesamtes gab es 2015 in Summe 36 Todesfälle bei Stromunfällen, diese Zahl war zuletzt im Jahr 2000 dreistellig [30]. Leider ist es mir nicht gelungen, diese Zahlen besser nach Art der Unfälle aufzulösen. Daher weiß ich z.B. nicht, wie sich die Anzahl tödlicher Unfälle bei Berührung der Oberleitung von einem Bahnwaggon aus zu der Summe der Unfälle durch fehlenden oder defekten RCD verhält.
Ich möchte noch einmal das Augenmerk auf den wahrscheinlichsten Fehler lenken, der zumindest theoretisch zu kritischen DC-Fehlerströmen führen kann – die defekte Isolation des Ladekabels. Eine recht einfache Methode, um eine gefährliche Isolationsbeschädigung im Gleichstromladekabel zu verhindern, wäre dessen Schirmung.
Wäre nämlich der Kabelschirm als Schutzleiter (mit entsprechendem Querschnitt) ausgeführt, so würde jede leitfähige Verbindung mit einer Ader des Kabels einen Kurzschluss bedeuten und den RCD oder Sicherungsautomaten auslösen. Diese meines Erachtens sinnvolle Schutzmaßnahme wäre deutlich kostengünstiger als ein RCD des Typ B – wird aber nach meinem Kenntnisstand nicht angewandt.
Die Ergebnisse meiner Versuche lassen folgende Schlussfolgerung zu: keines der untersuchten RCD zeigte abschließend eine dauerhafte Beeinträchtigung der Funktion. Ein Gerät (Hersteller Commel) lag hinsichtlich der Fähigkeit, DC-Fehlerströme zu erfassen, spürbar unter dem Durchschnitt. Vier Geräte bilden mit einer gewissen Streuung das Mittelfeld in dieser Disziplin. Der RCD von Eaton schließlich zeichnet sich durch seine teils herausragende Empfindlichkeit aus.
Insbesondere im Zusammenhang mit diesem Ergebnis muss man natürlich zugestehen, dass die Auswahl der Geräte und der Hersteller mehr oder weniger willkürlich war. Es ist durchaus möglich, dass Geräte auf dem Markt existieren, die im Vergleich zu den untersuchten RCDs signifikante Abweichungen im positiven wie auch negativen Sinne aufweisen. Ebenso ist die Zahl von genau einem untersuchten Exemplar nicht statistisch belastbar.
Allerdings fällt meines Erachtens auf, dass bei der Demontage aller Geräte genau die beiden „Ausreißer“ konstruktive Unterschiede im Vergleich zu den anderen RCDs aufweisen. Diese Analogie wiederum bestärkt mich in der Annahme, dass die beschriebenen Unterschiede sich durchaus auch bei einer statistisch relevanten Anzahl von Versuchsobjekten mehr oder weniger klar bestätigen würden.
Die Vorschriftenlage stellt insbesondere durch die neue Norm IEC 60364-7-722 [20] oder DIN EN 61851-23 [27] eine recht eindeutige Forderung zur Verwendung von allstromsensitiven (Typ B) Schutzschaltern. Die hier beschriebenen Untersuchungen lassen jedoch gewisse Zweifel an der Sinnhaftigkeit bzw. Notwendigkeit dieser kostenintensiven elektrischen Schutzgeräte aufkommen.
Zu den (noch recht neuen) RCD des Typ B mit einer Auslösung bei einem DC-Fehlerstrom von 6mA möchte ich abschließend auch noch einmal Stellung nehmen. Zunächst muss man sich in Erinnerung rufen, dass der Wert von 6mA rein gar nichts mit Personenschutz zu tun hat, sondern mit der dann angeblich einsetzenden „Erblindung“ von RCD des Typ A.
Es gibt bereits heute auf dem Markt sog. „Ladezicken“ wie den ZOE, der durch eine etwas fragwürdige Konstruktion des integrierten Lademoduls quasi bauartbedingt Fehlerströme ins Netz zurück streut (der Antriebsmotor wird als Trafo verwendet). Dies würde natürlich insbesondere die deutlich empfindlicheren RCD des Typ A-EV zum Abschalten veranlassen.
Mit fällt dazu eine Analogie zu (gewöhnlichen) Rauchmeldern in einer Küche ein: diese deuten brav Dämpfe und sonstige Erscheinungen beim Kochen als Feuer und lösen aus. Dies erhöht in keinerlei Weise die Sicherheit, sondern nervt einfach nur den Anwender. Genauso sehe ich die Sinnhaftigkeit der speziellen RCD des Typ A-EV mit erhöhter Empfindlichkeit.
Ich möchte aber auch nicht verschweigen, dass sich andere Literaturstellen [28, 29, 31], ebenfalls alles andere als eindeutig für die Notwendigkeit von allstromsensitiven (Typ B) Schutzschaltern aussprechen. Abschließend möchte ich meine Meinung so zusammenfassen:
• Das Eintreten eines lebensgefährlichen Zustandes an der Ladeinfrastruktur, den ein RCD des Typ A (diesen setze ich als vorhanden voraus) nicht erkennt, halte ich für extrem unwahrscheinlich. Bei Verwendung einer Wallbox ist das Auftreten von relevanten DC-Fehlerströmen meiner Meinung nach sogar nahezu ausgeschlossen.
• Bei von mir genutzten Wallbox-Installationen würde ich daher aus Kostengründen auf die Verwendung eines RCD des Typ B oder sogar A-EV verzichten.
• Bei anderen Installationen würde ich die Entscheidung dem Nutzer überlassen. Ich muss aber zugeben, dass die Erarbeitung des notwendigen Wissens zum Treffen einer fundierten Entscheidung nicht trivial ist.
• Sollte man aber tatsächlich eine DC-(Schnell-)Ladestation installieren, würde auch ich zur Verwendung eines allstromsensitiven RCD des Typ B raten. Dies auch deshalb, weil beim DC-Laden die Fahrzeug-eigenen Schutzsysteme deaktiviert werden [26].
Quellen
[01] | DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1): „Sicherheit von Maschinen –Elektrische Ausrüstung von Maschinen Teil 1: Allgemeine Anforderungen“ |
[02] | Elektropraktiker, Berlin 61 (2007) 6: „FI-Schutzschalter Typ A gegen Typ B tauschen“ |
[03] | Elektrotechnik 3/09, Raymond Kleger, 2009: „RCD-Technik und Spezialitäten“ |
[04] | Doepke Schaltgeräte GmbH, 2005: „Realisierung eines zuverlässigen Fehlerstromschutzes in elektrischen Anlagen mit Frequenzumrichtern“ |
[05] | Schrack Technik GmbH: „Praktische Anwendung von FI-Schutzschaltern“ |
[06] | DIN VDE 0100-530: „Errichten von Niederspannungsanlagen, Teil 530: Auswahl und Errichtung elektrischer Betriebsmittel – Schalt- und Steuergeräte“ |
[07] | Elektrofachkraft.de, Stefan Euler, Hans J. Rübsam, 2008: „Neu errichtete Steckdosen benötigen ein RCD“ |
[08] | DIN IEC 60364-4-41 (VDE 0100-410): „Errichten von Niederspannungsanlagen, Teil 4-41: Schutzmaßnahmen – Schutz gegen elektrischen Schlag“ |
[09] | Siemens AG, 2016: „Technik-Fibel, SENTRON – Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen“ |
[10] | Hager, Technische Schulung, 2011: „Fehlerstrom-Schutzschalter“ |
[11] | https://www.elektrofachkraft.de/sicher-arbeiten/personenschutz-durch-fi-schutzschalter-rcd#axzz5IlEk0cnI |
[12] | Elektronik Praxis, Susanne Ganz / Gerd Kucera, 2014: „Allstromsensitive Sensoren – Genauigkeitsbetrachtungen bei Differenzstromsensoren“ |
[13] | https://www.industr.com/de/beim-laden-vor-fehlerstrom-schuetzen-232497 |
[14] | Winfried Möll: „Erkennung und Beherrschung von Isolationsfehlern in der Elektromobilität |
[15] | 2016/C 272/01, sog. „Blue Guide“: „Bekanntmachung der Kommission — Leitfaden für die Umsetzung der Produktvorschriften der EU 2016“ |
[16] | 2014/35/EU, „ Niederspannungsrichtlinie“ des europäischen Parlaments und des Rates zur „Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung elektrischer Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen auf dem Markt“ |
[17] | 2014/30/EU, „ EMV-Richtlinie“ des europäischen Parlaments und des Rates „zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die elektromagnetische Verträglichkeit“ |
[18] | DIN IEC 60364-1 (VDE 0100-100): „Errichten von Niederspannungsanlagen, Teil 1: Allgemeine Grundsätze, Bestimmung allgemeiner Merkmale, Begriffe“ |
[19] | DIN IEC 62109-2: „Sicherheit von Leistungsumrichtern zur Anwendung in photovoltaischen Energiesystemen, Teil 2: Besondere Anforderungen an Wechselrichter“ |
[20] | IEC 60364-7-722: „Anforderungen für Betriebsstätten, Räume und Anlagen besonderer Art – Stromversorgung von Elektrofahrzeugen“ |
[21] | DIN EN 61008-1 (VDE 0664-10): „Fehlerstrom-/Differenzstrom-Schutzschalter ohne eingebauten Überstromschutz (RCCBs) für Hausinstallationen und für ähnliche Anwendungen – Teil 1: Allgemeine Anforderungen“ |
[22] | DIN EN 61008-2-1 (VDE 0664-11): „Fehlerstrom-/Differenzstrom-Schutzschalter ohne eingebauten Überstromschutz (RCCBS) für Hausinstallationen und für ähnliche Anwendungen – Teil 2-1: Anwendung der allgemeinen Anforderungen auf netzspannungsunabhängige RCCBs“ |
[23] | Berufsgenossenschaft Feinmechanik und Elektrotechnik, 2005, Arbeitsschutz konkret: „Gefahren des elektrischen Stromes“ |
[24] | DIN IEC/TS 60479-1 (VDE V 0140-479-1): „Wirkungen des elektrischen Stromes auf Menschen und Nutztiere“ |
[25} | Berufsgenossenschaft Elektro Textil Feinmechanik, Dr.-Ing. Dieter Kieback, 2009: „Monografie – Stromunfälle, Herzkammerflimmern und Letalität“ |
[26] | Bender GmbH & Co. KG: „Elektrische Sicherheit für die Elektromobilität“ |
[27] | DIN EN 61851-23 (VDE 0122-23): „Elektrische Ausrüstung von Elektro-Straßenfahrzeugen – Konduktive Ladesysteme für Elektrofahrzeuge, Teil 23: Gleichstromladestationen für Elektrofahrzeuge“ |
[28] | DKE (Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik)/AK EMOBILITY.60, 2015: „Der Technische Leitfaden – Ladeinfrastruktur Elektromobilität, Version 2“ |
[29] | Arbeitsgruppe 4 „Normung, Standardisierung und Zertifizierung“ der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE), 2013: „Technischer Leitfaden Ladeinfrastruktur“ |
[30] | https://www.bgetem.de/arbeitssicherheit-gesundheitsschutz/institute/institut-zur-erforschung-elektrischer-unfaelle/statistik-der-stromunfaelle |
[31] | https://www.enercab.at/content/17-sicheres-laden |
[32] | https://www.doepke.de/de/news/mit-sicherheit-laden/ |