Für die meisten Autofahrer ist die vermeintlich eingeschränkte Reichweite eines Elektroautos derzeit das Ausschlusskriterium Nummer eins für den Erwerb eines solchen Fahrzeugs. Hier scheint für viele der Antrieb aus einer Wasserstoffzelle eine geeignete Alternative. Von jahrzehntelang zelebrierten Verhaltensmustern – das Tanken von Reichweite an einer Zapfsäule – muss der Benutzer dann nicht abweichen. Trotzdem genießt der Fahrer die Vorzüge des elektrischen Fahrens und reinigt auch sein ökologisches Gewissen. Es gibt im Portfolio diverser Automobilhersteller Fahrzeuge mit einer Wasserstoff-betriebenen Brennstoffzelle. Und viele Leute propagieren diesen Antrieb als den Antrieb für Autos der Zukunft. Wo liegen die Vorzüge dieses Systems? Wo liegen die Probleme?
Die Brennstoffzelle
Die Brennstoffzelle benötigt einen kontinuierlich zugeführten Brennstoff (in diesem Fall: Wasserstoff). In einer chemischen Reaktion wird in der Brennstoffzelle mithilfe von Sauerstoff elektrische Energie erzeugt. Eine Pufferbatterie (in der Regel Lithium-Ionen-Batterie) mit 1-3 kWh Kapazität nimmt die erzeugte Energie auf, um eine kontinuierliche und agile Energieabgabe zu gewährleisten.
Der Wasserstoff wird unter hohem Druck (350-800 bar) in einem Fahrzeugtank gespeichert. Wenn höhere Mengen (respektive Reichweiten) benötigt werden, kann der Wasserstoff auch bei tiefkalten Temperaturen (<-253°C) gespeichert werden. Dies erfordert allerdings platzaufwendige und teure Dämmungsmaßnahmen am Tank und eine regelmäßige Entnahme von Wasserstoff, da sonst Verluste entstehen durch Ausgasung des sich erwärmenden Wasserstoffs.
Die Energiebilanz des Brennstoffzellenantriebs
Zunächst extrahiert man in einem Elektrolyseverfahren den Wasserstoff aus dem Wasser. Die Elektrolyse benötigt Strom um die chemische Reaktion zu betreiben -> Stromverbrauch. Es entsteht Wasserstoffgas, welches unter hohem Druck verflüssigt wird. Diese Kompression erfordert ebenso Strom -> Stromverbrauch. Der Wasserstoff wird zwischengelagert und mit Tankwagen an Zapfstellen transportiert. Dabei muss wieder dafür gesorgt werden, das der Wasserstoff komprimiert wird bzw. bleibt -> Stromverbrauch.
Am Zapfpunkt (Tankstelle) muss der Druck nach jedem individuellen Tankvorgang angepasst werden -> Stromverbrauch. Der Druckaufbau benötigt Zeit, so bleibt es eine Wunschvorstellung, dass der Tankvorgang von Wasserstofffahrzeugen in der gleichen Zeit abgewickelt werden kann wie bei Verbrennern.
Von der Zapfsäule wird der Wasserstoff in den Tank des Auto gepumpt -> Stromverbrauch. Nicht zu Vernachlässigen sind auch hier die Verflüchtigungen des Wasserstoffs aus den Tanks (Energieverlust-> Stromverbrauch).
Nun erfolgt der letze Schritt, nämlich die Umwandlung der gespeicherten Energie des Wasserstoffs im Auto in der Brennstoffzelle. Aus dem Wasserstoff wird hier elektrischer Strom erzeugt und in einer Pufferbatterie gespeichert. Hieraus wird die Energie abgegeben, die dem Fahrzeug zur Fortbewegung dient.
„Anders als bei der Verwendung von fossilen Energieträgern wird bei der Elektrolyse kein CO2 freigesetzt. Dies gilt allerdings nur, wenn der verwendete Strom nicht aus fossilen Energieträgern erzeugt wurde. Bei der Wasserstoffherstellung, -speicherung und anschließender Rückverstromung liegt der Wirkungsgrad derzeit (2013) bei maximal 43 %. Sterner et al. geben Wirkungsgradspannen zwischen 34 und 44 % an. Es wird davon ausgegangen, dass perspektivisch elektrische Gesamtwirkungsgrade bis maximal 49 bis 55 % erreicht werden“ (Wikipedia)
Das Interpretieren dieser Zahlen zeigt, dass mehr als die Hälfte der Energie des Wasserstoffs unterwegs verloren geht. Ein großer Teil des Stroms geht verloren durch die Lager-, Transport- und Tankprozesse. Hinzu kommt noch der erhebliche Aufwand für den Aufbau und Betrieb (finanziell und infrastrukturell) eines brauchbaren Tankstellennetzes.
Wäre es hier nicht deutlich einfacher, ressourcenschonender und effizienter, den oben summierten Stromverbrauch direkt in die Autos zu transportieren? Ohne die Umwege über Wasserstofferzeugung? Ohne den Bau aufwendiger und teuerer Wasserstofftankstellen? In vielen kleinen, dezentralen, im ganzen Land verteilten „Ladestationen“?
Die Vorteile vom Wasserstoffantrieben
Der gegenwärtig immer wieder kolportierte größte Vorteil ist die mutmaßliche Reichweitensteigerung. Aufgrund immer größerer und effizienter werdender Batteriespeichersysteme steigen aber auch die Reichweiten der Elektroautos und nähern sich denen der wasserstoffbetriebenen Fahrzeuge an. Derzeit ist ein gerade ausreichendes Netz an Ladesäulen für E-Autos vorhanden. Ein praktisch nutzbares Netz an Wasserstofftankstellen gibt es aber gegenwärtig (November 2018) noch nicht (Quelle: wikipedia). Das Ladenetz für eAutos läßt sich vergleichsweise günstig skalieren.
Ergänzung: Nicht außer Acht gelassen werden darf der Ressourcenbedarf für die Batterien in den batteriebetriebenen Fahrzeugen. Hier stehen Akkukapazitäten von 30-100 kWh in BEV´s den vergleichsweise deutlich kleinen Akkus in den wasserstoffgetriebenen Fahrzeugen gegenüber.
Ein weiterer (vermeintlicher) Vorteil ist für viele Menschen, dass sie sich von erlernten Verhaltensmustern nicht trennen müssen. Sie fahren an eine Tankstelle, tanken voll und fahren weiter. Den Komfort- und Zeitgewinn des Stromladens in der eigenen Garage können viele Menschen offenbar nicht greifen.
Der größte Nachteil der Brennstoffzelle
Der größte Nachteil der Brennstoffzelle ist, neben den Energieverlusten, meines Erachtens das Wegfallen der Lademöglichkeit zu Hause. Mit dem Elektroauto kann ich über Nacht bequem in der heimischen Garage aufladen. Mit dem Wasserstoffauto muss ich systembedingt an eine Tankstelle. Das Laden zu Hause ist bequem, kostengünstig und kontrollierbar. Auf diese Möglichkeit möchte ich nicht mehr verzichten.
Wozu der Aufwand?
Der Hyundai ix35 Fuel Cell mit Brennstoffzellenantrieb gilt als das erste unter Serienbedingungen hergestellte Brennstoffzellenauto und wurde bislang seit 2013 weniger als 1000 mal verkauft, 120 davon nach Deutschland.
Der ix35 hat einen Tank mit 5,64kg Wasserstoff-Kapazität bei 700 bar Druck. Dies soll für eine Reichweite bis knapp 600 km reichen. Das entspricht einem Verbrauch von 0,95 kg Wasserstoff pro 100 km (NEFZ). Das Befüllen des Tanks erfolgt an Wasserstofftankstellen und dauert 3-5 Minuten. Der Elektromotor leistet 100 kW.
Aktuelle Elektroautos haben Reichweiten von 400km und mehr (Hyundai Kona, Kia eNiro, u.A), Tesla bietet rein elektrische Reichweiten von über 500km. Hier ist die Differenz zum Wasserstoffauto dann nicht mehr so groß. Die sich aufdrängende Frage ist, ob es lohnenswert ist, für 100-200km mehr an individueller Reichweite ein riesiges Tankstellennetz, „Elektrolysekraftwerke“ und eine gigantische Transport- und Lagerinfrastruktur aufzubauen. Nicht zu vergessen der gewaltige Bedarf an Trinkwasser für die Wasserstofferzeugung. Hier drohen insbesondere in trinkwasserarmen Ländern neue Verteilungskämpfe.
Eine andere Rechnung ergibt sich sicherlich bei großen Verbrauchern wie z.B. LKW, Flugzeug oder Schiff. Hier kann die Brennstoffzelle möglicherweise sinnvoll eingesetzt werden.
Beim PKW im motorisierten Individualverkehr meines Erachtens nicht.
Vielen Dank für den interessanter Post! Ausgezeichnet Blog.